Bundesweite repräsentative Ärztebefragung zu Mangelernährung im Alter

Mangelernährung als häufige Krankheitsursache in Deutschland – Jeder 2. Arzt täglich mit Mangelernährung konfrontiert


Berlin, 26. April 2016.

Mangelernährung ist ein gesellschaftlich stark unterschätztes Phänomen, das drastische Folgen für die Gesundheit der Patienten, aber auch hohe Folgekosten für das Gesundheitswesen bedeutet. Wie die im Auftrag des Bundesverbands Initiative 50Plus und HiPP durchgeführte repräsentative Ärztebefragung von 222 niedergelassenen Ärzten – darunter 112 Allgemeinmediziner, 53 Neurologen und 57 Onkologen – zeigt, wird jeder zweite Arzt (57 %) in der täglichen Arbeit mit Mangelernährung konfrontiert. Vor allem bei den Onkologen steigt die Quote auf fast 70 % an, weil eine Krebserkrankung sehr häufig mit dem Auftreten einer Mangelernährung verknüpft ist.

Zugleich liegt bei den befragten Ärzten ein hohes Problembewusstsein vor – schließlich bewertet jeder zweite Arzt (52 %) Mangelernährung sehr oft oder immer als Ursache für Krankheiten im Alter. Zudem achten 3 von 4 Ärzten (76 %) ebenfalls sehr oft oder immer auf Anzeichen von Mangelernährung (z. B. ungewollter Gewichtsverlust).

Doch obwohl bei den Ärzten ein hohes Problembewusstsein vorherrscht und 3 von 4 Ärzten (75 %) den Patienten bei Auftreten von Mangelernährung weitreichend über das Thema informieren, offenbart sich eine große Diskrepanz: 71 % der Ärzte fühlen sich selber nicht vollumfänglich informiert – 14 % sogar nur wenig oder gar nicht.

Unstrittig bei fast allen befragten Ärzten ist hingegen die Bedeutung von ausreichender und bedarfsgerechter Ernährung bei einem unzureichenden Ernährungszustand für die Genesung. 96 % der Ärzte sehen diese als sehr wichtig oder wichtig an. Dabei spielt die Ernährung nicht nur bei der Genesung eine tragende Rolle, sondern kann auch schon bei der Prävention vieler Alterskrankheiten unterstützen. Die befragten Ärzte sind der einhelligen Meinung, dass frühzeitige Ernährungsmaßnahmen dabei helfen, Nachfolgekosten für ernährungsbedingte Komplikationen zu vermeiden.

Stefan Hipp, Gesellschafter HiPP: „Gesellschaft, Politik und auch Wirtschaft müssen beim Thema Mangelernährung an einem Strang ziehen und eine effiziente und breite Aufklärung sicherstellen – mit der Botschaft, dass Mangelernährung häufig vorkommt und verhindert werden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, um über adäquate Ernährungsmöglichkeiten bei Mangelernährung in der Patientenversorgung zu informieren. Dabei unterstützen wir sehr gerne – die Ärztebefragung ist hier ein weiterer Schritt zur Aufklärung.“

Gitta Connemann, MdB und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Gesunde Ernährung ist in aller Munde. Sollte es jedenfalls sein – gerade bei Älteren. Denn die Ergebnisse der Umfrage zeigen: Mangelernährung bei Älteren ist keine Seltenheit. Hinzu kommt fehlende Bewegung. Dabei sind eine gesunde und ausreichende Ernährung und Bewegung für das Alter, gerade für Genesungsphasen entscheidend. Das Verständnis hierfür muss frühzeitig vermittelt werden. Mit Initiativen wie IN FORM – Fit im Alter, mit dem Präventionsgesetz und nicht zuletzt mit der Pflegeversicherung haben wir die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Aber mangelhafte Ernährung im Alter und fehlende Bewegung sind am Ende eine Herausforderung, die uns alle angeht. Diese können wir als Politik nur gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft, den Ärzten, den Pflegeeinrichtungen, den Kassen, den Medien, bewältigen.“

Uwe-Matthias Müller, Geschäftsführender Vorstand Bundesverband Initiative 50Plus e.V.: „Die Erhebung bestätigt unsere Befürchtungen, wie weit Mangelernährung verbreitet ist. Dies ausgerechnet in einer Gesellschaft, in der alle Zutaten für eine gesunde – und schmackhafte – Ernährung zur Verfügung stehen. Wir haben nun seit bald einem Jahr das Präventionsgesetz, das ist gut so. Wir fordern die Politik, aber auch die im Gesundheitsbereich tätigen Institutionen auf, das Thema Mangelernährung mit all seinen Facetten verstärkt und beherzt den betroffenen Menschen nahezubringen.“

Dr. Henning Scherf, Botschafter Bundesverband Initiative 50Plus e.V. und Bürgermeister a.D., Bremen: „Obwohl es uns in Deutschland sehr gut geht und wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben, zeigt die erstaunliche Zahl von älteren mangelernährten Menschen, dass wir noch einen weiten Weg zu gehen haben. Wir müssen über Nachbarschaften und professionelle Dienste die Versorgungssituation verbessern: Hier ist ganz klar die Zivilgesellschaft gefordert und muss motiviert werden.“

Hintergrund und Methodik der Ärztebefragung
Vom 7. März bis einschließlich 8. April 2016 wurde eine bundesweite, telefonische Befragung unter Ärzten durch das Markt- und Sozialforschungsinstitut INSA-CONSULERE durchgeführt. Ziel der Umfrage war es, niedergelassene Ärzte verschiedener Fachrichtungen zum Thema Mangelernährung zu befragen. Als Erhebungsmethode wurde das Computer Assisted Telephone Interview (CATI) gewählt. Die Zufallsauswahl der Befragten erfolgte über eine branchenspezifische, repräsentative B2B-Stichprobe. Um sowohl verallgemeinernde als auch vertiefende Aussagen zu erlangen, wurde die Studie in eine quantitative Erhebung und in eine qualitative Erhebung aufgeteilt. Bei der quantitativen Erhebung wurden insgesamt 222 Ärzte, davon 112 Allgemeinmediziner, 53 Neurologen und 57 Onkologen, zur Ernährung älterer Patienten, zum Informationsstand über sowie den Umgang mit Mangelernährung befragt. Bei der qualitativen Erhebung wurden insgesamt 15 Ärzte aus den unterschiedlichen Fachbereichen vertiefend zu ihren Erfahrungen mit mangelernährten Patienten befragt.

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